Lösch dich, ZDF!

Was soll Israel anderes machen, als Journalisten töten? Das ZDF hat Verständnis – denn der Getötete war ja ein Hamas-Mitglied.

Mitte Oktober tötete das israelische Militär gezielt den 37-jährigen Übertragungstechniker Ahmed Asʿad Muhammad Abu Matar in Deir al-Balah mit einer Rakete. Mit ihm starb der 8-jährige Sohn eines Kollegen im Feuer der israelischen Raketen. Eigentlich in deutschen Medien ja keine Nachricht wert, aber es handelte sich um einen Mitarbeiter einer Produktionsfirma, die für den ZDF tätig war. Also musste man irgendwas sagen. Widerwillig kritisierte man in vorsichtigsten Tönen, dass Israel mal wieder einen Medienschaffenden um die Ecke gebracht hatte. Echte Empörung, wie man sie von halbwegs anständigen Menschen, deren Kollegen umgebracht werden, erwarten würde, war schon da nirgendwo zu vernehmen. 

Kaum zwei Wochen später aber die Erlösung. Nun muss man nicht mehr so tun, als störe einen die Ermordung eines Kollegen. Das ZDF nimmt jetzt sogar die duckmäuserische Mini-Kritik zurück und erklärt in einer eigenen Presseaussendung, dass die israelische Armee ihnen „als Beleg“ ein „Dokument“ geschickt habe, das beweise: Ahmed Abu Matar war Terrorist! Alle andere – wortwörtlich alle (!) – großen Medien schreiben brav kaum Stunden später, dass das ZDF „bestätigt“, der Techniker sei Terrorist gewesen. Die vom Zionismus komplett durchgeschallerten – Bild, Welt usw. – drehen jetzt gar den Spieß um: Die Glaubwürdigkeit des ZDF leide darunter, dass der getötete Techniker Hamas-Mitglied war. Gratulation. Dazu gehört schon Chuzpe. 

Die Nummer ist in ihrer Schäbigkeit so facettenreich, dass man Luft holen muss, um alles, was daran unterirdisch ehrlos ist, in einen kurzen Text zu kriegen: Ein Dokument Israels – also des Täters -, das sie nicht unabhängig überprüfen können, reicht diesen Spürnasen, um den Vorwurf einer Mitgliedschaft in der Hamas zu „bestätigen“, ganz so, wie ihnen anno dazu Mal Colin Powells Schautafeln vor der UN gereicht haben, um dem Irak „weapons of mass destruction“ anzudichten. Es sind dieselben „Journalisten“, denen eine Pressemitteilung aus Tel Aviv genügt, um unter jedem Krankenhaus, jeder Schule, jedem UN-Gebäude, jedem Kindergarten eine Hamas-Stellung zumindest zu vermuten. Bis zum Beweis des Gegenteils. Wer so wenig Wunsch nach eigenständiger Überprüfung staatlicher Propaganda aufweist, arbeitet völlig zurecht bei diesem Sender. 

Und mehr noch: Selbst wenn (!) dieser Mann Mitglied in der Hamas gewesen sein sollte, was wir, ganz im Unterschied zu den absolut seriösen Machern des Zweiten Deutschen Fernsehens nicht wissen können, weil uns Israel seine Adobe-Photoshop-Künste nicht per Mail zuschickt, selbst wenn (!) das also der Fall war, befand sich der Getötete während eines Waffenstillstandes (!!) mit einem Acht-Jährigen (!!!) in einem Funkwagen, auf dem dick und fett „PRESS“ (!!!!) stand. Dass der Mann also zu diesem Zeitpunkt an irgendwelchen Kampfhandlung teilnahm, ist auszuschließen, vor allem auch deshalb, weil die israelische Regierung dem ZDF dann das Video davon und nicht irgendeinen Ausweis oder sonstigen Wisch übersandt hätte. Aber man weiß natürlich auch in Tel Aviv, wie genügsam man in deutschen Redaktionsstuben ist. 

Völkerrechtlich gesehen erlischt der Schutz dieses Pressemitarbeiters – dass er das war, könnte das ZDF ja ausnahmsweise tatsächlich aus eigener Erkenntnis bestätigen – nicht durch irgendein „Dokument“, das Israel vorliegt. Dazu kommt eben, dass zu diesem Zeitpunkt ein Waffenstillstand schon in Kraft war. Und weiter, dass man selbst dann nicht einfach ohne irgendeine konkrete Bedrohung einen Acht-Jährigen mit auslöschen hätte dürfen. Aber solche Bedenken hat man in Berlin nicht. Man „begrüßt“ glücklich, dass Israel ein Dokument zur Feststellung der Identität des Ermordeten übersandt hat. Als hätte man darauf gewartet. 

Israel hat über 200 Journalisten und Medienschaffende in den vergangenen zwei Jahren ermordet. Und es hat bei jedem einzelnen – da, wo es überhaupt jemanden interessiert hat – behauptet, es sei entweder ein Versehen gewesen oder nachträglich den Getöteten zum Hamas-Mitglied stilisiert. Irgendwann, so würde man als Normalsterblicher vermuten, müsste das bei der deutschen Pressezunft zu einem Solidarisierungseffekt führen. Oder wenn schon nicht das, dann wenigstens zu einer gesunden Skepsis israelischen „Dokumenten“ gegenüber. Passiert aber nicht. 

Und man muss sich ja dazu noch überlegen: Da sitzt ein Haufen an dpa-Abschreibern und fürstlich bezahlten Meinungsfunktionären im warmen Berlin und vernutzen lokale Produktionsfirmen wie die von Ahmed Abu Matar, um die Bilder aus dem Krieg vermarkten zu können. Die Abu Matars, die Ismail Al-Ghouls, die Mariam Daggas und Anas al-Sharifs machen die Arbeit unter Lebensbedrohung und Hunger, während ihre Freunde und Familien ermordet werden. Und wenn sie selber von Israel abgeknallt werden, dann spuckt man ihnen aus Berlin noch den Satz „Das ZDF bestätigt, er war Terrorist“ aufs Grab.

Dankend aufgenommen wurde diese Art von Journalismus übrigens von der CDU, die jetzt noch einen drauf setzt. „Dass das ZDF in zwölf Jahren Zusammenarbeit nicht bemerkt, dass einer ihrer Mitarbeiter zeitgleich als Zugführer für die Hamas aktiv an Terrorismus gegen Israel beteiligt ist, spricht für sich“, lässt sich Armin Laschet zitieren. „Die Tarnung als angebliche Journalisten und Techniker ist eine der perfidesten Methoden der Islamisten. Leider sind allzu viele Medien weltweit auch bei ihrer Berichterstattung darauf reingefallen.“ Im Klartext also: Was soll Israel anderes machen, als Journalisten töten? Es könnte sich ja die Hamas in einem von ihnen verbergen. So wie in Schulen, Kindergärten, UN-Gebäuden, Krankenhäusern, Flüchtlingszelten und Rettungswägen. Der Deutsche hat hier Verständnis. 

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