Weg mit euren schmierigen SPD-Fingern vom sowjetischen Ehrenmal!

Ex-Innensenator Geisel und sein Parteikollege Freier-Winterwerb wollen das Sowjetdenkmal im Treptower Park
“verbessern” – nein, danke!

Der Berliner SPD-Politiker Andreas Geisel hat ein neues Hobby. Der Mann, der sich einst als Innensenator einen Namen mit besonders ausschweifenden Polizeieinsätzen gegen Linke machte, wendet sich nun im Alter der Geschichte zu. Zusammen mit einem weiteren Sozialdemokraten, der den illustren Namen Alexander Freier-Winterwerb trägt, hat er sich einer ganz wichtigen Initiative angenommen: Der „Kontextualisierung“ des sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park.

Was das konkret bedeutet, kann man dem Tagesspiegel entnehmen: Es gebe an dem Gedenkort „zu viel stalinistischen Bombast“, erklärt Freier-Winterwerb. Dafür wolle man Erklärtafeln aufstellen, die dann „historisch einordnen“. Die beiden SPD-Politiker kooperieren dafür mit dem Verein Memorial, der sich der Aufarbeitung aller Barbareien aus dem Osten verschrieben hat. Üppig gefördert aus Staatsgeldern sieht dieser seinen Zweck in der „Aufarbeitung“ der Geschichte der Sowjetunion, die stets darin besteht, den ersten Versuch von Arbeitern und Bauern sich einen Staat ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu errichten, als eine Aneinanderreihung von Verbrechen darzustellen. Alle anderen Akteure – von zaristischen Putschisten über US-Agenten bis ukrainischen Antisemiten und Nationalisten – werden dabei von den Partnervereinigungen des Vereins ganz und gar nicht „historisch eingeordnet“, sondern gelten einfach als arme Opfer ohne eigene Subjektivität.

Der Verein betreibt dabei ein eigenes „Stolperstein“-Projekt für Opfer von DDR- und Sowjetbehörden. Unter dem guten Dutzend bislang in einer Gedenktafel verewigten befindet sich etwa Arthur Jubelt. Er gab als Verleger schon in der Weimarer Republik antisemitische und völkische Schriften heraus und hatte an Hitlers „Marsch auf die Feldherrnhalle“ teilgenommen. Er starb in einem sowjetischen Internierungslager 1948. Auch geehrt wird Edmund Hunger, NSDAP-Mitglied und Leiter eines NS-Vorzeigebetriebs, in dem sowjetische Zwangsarbeiter beschäftigt waren. Auch er starb in einem sowjetischen Internierungslager. Die Inschriften der jeweiligen Gedenktafeln haben diesen „Kontext“ nicht zum Inhalt.

Was Memorial, Geisel und Freier-Winterwerb eint, ist keineswegs einfach das Bedürfnis nicht aufgeklärte Menschenrechtsvergehen der Öffentlichkeit ins Gedächtnis zu rufen. Es geht um die Auslöschung der wenigen im gesellschaftlichen Bewusstsein noch verankerten positiven Bezugspunkte zur Geschichte des Arbeiter- und Bauernstaats. Der Sieg über den Faschismus – und für diesen steht das Denkmal im Treptower Park – ist einer davon. Da man aber weiß, dass man es nicht einfach abreißen kann – nicht einmal die Tafeln mit den Stalin-Zitaten -, muss man so tun, als würde man einfach etwas fehlendes dazu geben wollen: Den „Kontext“. Genau das aber ist nicht der Fall.

Denn zum „Kontext“ gehört nicht einfach die Aufzählung individueller Schicksale und „Verbrechen“. Zum „Kontext“ gehört die Geschichte jenes Aufbruchsversuchs in der Sowjetunion, der beinahe in der gesamten Zeit seiner Existenz mit Invasionen imperialistischer Armeen und brutalen Bürgerkriegen zu ringen hatte. Zum „Kontext“ gehört eine globale Systemauseinandersetzung, in die eben nicht nur von Memorial geehrte, im Osten erschossenen US-Agenten gehören, sondern eben auch die in den USA ermordeten Kommunisten wie Ethel und Julius Rosenberg. Zum „Kontext“ gehören nicht nur die andauernden Sabotage-Akte in der Sowjetunion, sondern zum „Kontext“ der zur Diffamierung der Sowjetunion herangezogenen Brutalität gehört eben auch die Brutalität des Gegners, der in Vietnam, Indonesien, Algerien und Lateinamerika Abermillionen Menschen zerbombte, erschoss und bei lebendigem Leib verbrannte. Und zum “Kontext” gehörte dann auch ein Schild am SPD-Haus, das an die Ermordung von Kommunist:innen durch die da schon staatstragende SPD im Jahr 1918 oder am Blutmai 1929 erinnert. Da könnten die beiden Gedenk-Fans ja mal ansetzen.

Das alles interessiert aber die Advokaten der „Kontextualisierung“ nicht. Das weiß auch Springers BZ, denn sie bejubelt den Vorstoß mit der Schlagzeile: „SPD-Initiative: Weg mit der Stalin-Propaganda am Ehrenmal Treptow!“. Denn Geisel & Co. geht es nicht um Kontext.

Es geht ihnen um etwas anderes. Deutschland befindet sich auf Kriegskurs mit Russland. Und da gehört das Schleifen der Erinnerung an die Befreiungsleistung der Sowjetunion zur notwendigen Begleitmusik. Wer seinem Volk aufschwatzen will, sich bei Gelegenheit ein weiteres Mal über Don und Dnepr zu wagen, muss auch die Erinnerung an das letzte Mal auslöschen – oder solange das noch nicht möglich ist, sie zumindest „kontextualisieren“.

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