Wir stellen uns vor

Gegenwind – Journalismus mit Klassenstandpunkt

„Es sind die dunkelsten Momente, in denen wir euer Licht am meisten brauchen. Und denkt immer daran, dass jeder Sturm mit einem einzigen Regentropfen beginnt. Ihr müsst dieser Regentropfen sein.“
– Lorenzo Orsetti

Der Sturm, der sich aktuell global zusammenbraut, ist gewiss keiner, der den Kapitalismus hinwegfegen könnte. Im Gegenteil erleben wir gerade in einem rasenden Tempo, wie Gesellschaften nach rechts kippen und Staaten faschistisch werden. International, in Europa oder in Deutschland – die jeweiligen Unterschiede scheinen sich eher auf die Frage zu reduzieren, wann die zerstörerische Dunkelheit des Faschismus hereinbricht, aber nicht ob das passieren wird.

Gleichzeitig ist es sicher kein Geheimnis, dass die Linke in Deutschland in einer tiefen Krise steckt. Während die Rechte global vernetzt ist, haben wir uns über Jahrzehnte hinweg in eine organisatorische Zersplitterung und gesellschaftliche Isolation hinein manövriert. Doch jede Entwicklung bringt auch ihr Gegenstück hervor. In ganz Deutschland gibt es, teils lange bestehende, teils junge Organisationen und Bewegungen, die an Altes anknüpfend Neues aufbauen – es gibt kämpfende Lichter.

Ihre Arbeiten finden aber bislang gleichsam im Stillen statt, sie kommen nicht aus dem unmittelbaren Schatten der jeweiligen Organisationen hervor. In den Städten, Stadtteilen, Betrieben oder Universitäten stellen sich kleine Erfolge ein, regionale sowie bundesweite Vernetzungen stärken die gegenseitige Solidarität und ermöglichen einen Erfahrungsaustausch. Aber man kann zweifellos nicht größere Gruppen an Menschen außerhalb der eigenen Strukturen erreichen, ohne massenmedial dem Mainstream und den Rechten etwas entgegenzusetzen.

Dazu wollen wir mit diesem Magazin einen kleinen Beitrag leisten. Mit politischen Reportagen, mit Polemiken, Interviews und mit Stories aus dem Arbeits- und Lebensalltag. Und mit einem klaren Standpunkt auf Seiten der Arbeitenden und Kämpfenden.Warum es das unserer Ansicht nach so dringend braucht, erklärt sich aus dem, was es aktuell gibt.

Mainstream in Milliardärshand

Der Medien-Mainstream Deutschlands – also die auflagenstarken, meinungsmachenden Zeitungen, Magazine, Online-Formate und Fernsehsender – ist stark monopolisiert. Eine handvoll Konzerne oder Einzeleigentümer entscheiden, was die Leserin hierzulande mitkriegt. Und was nicht.

Der rechte Publizist Paul Sethe war einer der Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er formuliere schon 1965: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“. Der ehemalige SS-Mann Sethe musste es wissen: Die FAZ gründeten Industrielle genau mit dem Ziel, die Nachkriegsordnung in Deutschland zu beeinflussen.

Konrad Adenauer beim Lesen der FAZ

Auf den ersten Blick scheint es, als gäbe es ein buntes Gewirr an hunderten Zeitungen und Magazinen. Doch die Eigentumsverhältnisse zeigen, dass die meisten von ihnen Erzeugnisse weniger großer Player sind: Axel Springer Verlag, die Verlagsgruppe um die Stuttgarter Zeitung, Funke und Dumont vereinen zahlreiche Medien auf sich. An der Spitze stehen Milliardär:innen wie Friede Springer, Stefan Holtzbrink, Elisabeth Mohn und Hubert Burda.

Die angebliche „Vielfalt“ des Mainstreams erweist sich nicht nur wegen der Besitzverhältnisse als Schein. Die meinungsbestimmenden Formate unterscheiden sich minimal: Wer etwas mehr „linksgrünes“ Management des Kapitalismus will, liest die taz; wem eine CDU-Verwaltung der bestehenden Verhältnisse gefällt, holt sich die FAZ; wer unverholen nach unten treten will gegen Geflüchtete und Arbeitslose, liest die Bild Zeitung. Die Freiheit des Medienkonsums ist die Freiheit, sich auszusuchen, auf welche Weise alles gleich bleiben soll.

Das zeigt sich insbesondere in gesellschaftlichen Großlagen: Zum Ukraine-Krieg, zum Genozid in Palästina oder in Corona-Zeiten bewegen sich alle ausnahmslos auf der Linie von Staat und Kapital. Kritik, wo sie überhaupt vorkommt, bleibt im Rahmen des Systems. Es darf vorsichtig gesagt werden, dass das Abschlachten von Palästinenser:innen inhuman ist, solange man dem israelischen Staat nicht prinzipiell die Unterstützung bei selbigem verwehrt. Und die Redakteur:innen müssen nicht jede einzelne Waffenlieferung an Kiew begrüßen, solange sie wissen, dass der Feind in Moskau sitzt. So viel ist erlaubt und fördert auch die Verbreitung der immer gleichen Ideologie.

Faschisten füllen die Lücke

Nun hat die Bevölkerung einen gewissen Instinkt dafür, wann sie an der Nase herumgeführt wird. Das „Vertrauen“ in die bürgerlichen Medien sinkt laut Statistiken kontinuierlich. Das ist grundsätzlich nicht schlecht. Aber: Das so entstehende Vakuum konnte die linke Bewegung nicht füllen. Sie hat in Deutschland schon seit Jahrzehnten kaum einen Zugang zur Lebenswelt der Arbeiterklasse.

Populäre Medienpolitik als Gegenentwurf zum bürgerlichen Mainstream kam in den vergangenen Jahren von ganz rechts. Ironischerweise bezogen sich die Faschisten dabei theoretisch auf einen Kommunisten. Mit Antonio Gramsci im Gepäck schufen sie sich eigene Medien gegen die „Lügenpresse“. Gramsci hatte in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen Folgendes erkannt: In entwickelten kapitalistischen Gesellschaften könne keine politische Bewegung siegen, ohne in einem mühsamen Stellungskrieg die „Hegemonie“ des Mainstreams – also seine Vorherrschaft über die Köpfe und Herzen, das Denken und Handeln der Gesellschaft – zu brechen. Wer die moralische und intellektuelle Führung nicht hat, kann den Status Quo nicht verändern, geschweige denn eine Machtübernahme erwirken.

Die Faschisten haben sich diese Theorie angeeignet. Sie präsentieren sich als die Hüter der eigentlichen Objektivität gegen den Mainstream. Auf abertausenden Social-Media-Kanälen, dutzenden Zeitungen, Magazinen und Theorieformaten leisteten sie dem Aufstieg der AfD die kulturelle Vorarbeit. Nun ist offensichtlich, dass das politische Projekt der Rechten reaktionär ist, sich gegen die Arbeiterklasse richtet und bekämpft werden muss. Nur wäre man schlecht beraten, sich aus Angst hinter die grünen bis sozialdemokratischen Wahrer des Status Quo zu stellen. Stattdessen gilt es, die eigene Kraft aufzubauen.

Von der Klasse für die Klasse

Was können wir der bürgerlichen Mainstreampresse und ihrem faschistischen Gegenspieler entgegensetzen? Medial wollen wir beide entlarven. Keine dieser Seiten macht das Leben der Werktätigen besser: Weder die kommerziell nutzbare Wokeness der Berliner Innenstadt-Schickeria, noch die schäbige Hetze der Rechten und Faschisten gegen Migrant:innen. Denn am Ende dienen sie beide demselben Ziel: Der Aufrechterhaltung kapitalistischer Hegemonie.

Für beide gilt, dass sie die mediale Wiedergabe der Wirklichkeit „so gestalten, dass man sie für die Wahrheit ansieht, und dass dabei doch die vielen Interessen von Auftraggebern, Industrien und Parteien gewahrt bleiben“, schrieb der sozialistische Journalist Kurt Tucholsky 1921 in seinem Artikel „Presse und Realität“. Nicht nur der Mainstream ist „Lügenpresse“. Der rechte Gegenentwurf ist es mindestens in gleichem Maße. Beide sind Teil des „kompliziertesten Lügengewebes, das je erfunden wurde“, so Tucholsky.

Es ist also wichtig, dass wir die Interessen unserer Gegner, der bürgerlichen wie der faschistischen, offenlegen. Das bedeutet aber auch, nicht so zu tun, als hätte man selber keinen Standpunkt. Die Ehrlichkeit gegenüber den Lesenden besteht gerade darin, unsere eigene Perspektive konsequent offenzulegen. Sie soll die der Arbeiterklasse und der unterdrückten Völker sein.

Titelbild der A-I-Z, IX. Jahrgang, 1930, Nr. 1.
Titelbild der A-I-Z, IX. Jahrgang, 1930, Nr. 1.

Das knüpft an eine Tradition an, die es in der Weimarer Republik in Deutschland schon einmal gab. Der Kommunist und Verleger Willi Münzenberg erschuf ein breit aufgestelltes Geflecht aus massentauglichen Zeitungen. Allen voran war es die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (A-I-Z), in der progressive Intellektuelle und Künstler:innen genauso mitarbeiteten, wie hunderte Arbeiter:innen und Arbeitslose. Münzenberg schrieb über die Zeitung: „Die AIZ unterscheidet sich von allen anderen Illustrierten grundsätzlich. Sie hat ihr Gesicht ganz dem Leben und den Kämpfen der Arbeiter und aller werktätigen Schichten zugewandt.“

„Der Reporter dient dem Widerstand des Proletariats gegen die ganze Welt“
– Egon E. Kisch

Wir stehen nicht außerhalb von Kämpfen, wir sind nicht „neutral“, wir wollen in und mit der Klasse arbeiten. In den Worten des „rasenden Reporters“ Egon Erwin Kisch: „Ich drängte mich mit der Masse der Frierenden in den Wärmestuben, ich wartete mit den Hungernden in der Volksküche auf die Armensuppe, ich nächtigte mit den Obdachlosen im Nachtasyl, mit den Arbeitslosen hackte ich Eis auf der Moldau, schwamm als Flößerbursch nach Hamburg, statierte im Theater, zog mit dem Heerbann des Lumpenproletariats ins Saazer Land auf Hopfenpflücke und arbeitete als Gehilfe eines Hundefängers.“

Egon E. Kisch hebt die Faust zum Gruß, während einer Reise in Australien 1934
Egon E. Kisch während einer Reise in Australien im Jahr 1934

Das ist der Anspruch, den wir aufgreifen wollen. Dass das gelingen kann, hängt nicht nur von der Redaktion ab. Die Münzenberg-Zeitungen warben aus der Arbeiterklasse und aus Kreisen fortschrittlicher Schriftsteller:innen und Künstler:innen ein großes Netzwerk an Korrespondenten, Vertrieblern und Unterstützern an. Ende der 1920er waren bis zu 3500 „Arbeiterreporter“ für die A-I-Z tätig und schrieben über ihren eigenen Alltag. Die Massen begriffen die Zeitungen als ihre eigenen und wirkten an ihnen mit.

Mitarbeit

Kurzum: Wir brauchen dich! Wir brauchen die Geschichten aus deinem Alltag. Wir brauchen deine Beiträge! Wenn du verreist, ein Buch liest, interessante Kämpfe mitbekommst – egal was, schreib einen Artikel zu Themen, die dich umtreiben!

Inhalt und Form der Artikel sind dabei fast keine Grenzen gesetzt, wichtigstes Kriterium ist ihr Wahrheitsgehalt. Denn „die Wahrheit ist das edelste Rohmaterial der Kunst“, so Egon E. Kisch. „Doch bedarf die Gestaltung der Wahrheit keiner Phantasie? Es ist wahr, die Phantasie darf sich hier nicht entfalten, wie sie lustig ist. Nur der schmale Steg zwischen Tatsache und Tatsache ist zum Tanze frei gegeben und ihre Bewegungen müssen mit den Tatsachen in rhythmischem Einklang stehen. Und selbst diesen beschränkten Tanzboden hat die Phantasie nicht für sich allein. Mit einem ganzen Corps de ballet von Kunstformen muß sie sich im Reigen drehen, auf daß der sprödeste Stoff, die Wirklichkeit, in nichts nachgebe dem elastischsten Stoff, der Lüge.“

Anders gesagt: Ob Imperialismus-Analysen, Gedichte über Liebende und Träumende, Reportagen zu erfolgreichen Kämpfen oder Comics, die eine andere, bessere Welt zeichnen – wer die vergangenen und kommenden Tatsachen dieser Klassengesellschaft zu Papier bringt, ist uns willkommen!

Macht mit und werdet Teil von Gegenwind. Denn so oder so, die Zukunft wird stürmisch – die einzige Frage ist, in welche Richtung der Wind wehen wird!

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