Die britische Polizei nimmt Ermittlungen gegen das irische Rap-Trio Kneecap und das Künstler-Duo Bob Vylan auf. Beide Gruppen waren zuvor auf dem Glastonbury Festival aufgetreten. Der Grund: palästinasolidarische Parolen.
Nun ist es nicht mehr zu leugnen: Heiße Temperaturen, kurze Hosen und Röcke, Flipflops und Handtücher, Eis und laue Nächte verkünden es – der Sommer ist da. Für Musikliebhaber:innen bedeutet das vor allem ein Ende des langen Wartens auf die Festival-Saison 2025, die sich in diesem Jahr wirklich sehen lassen kann.
Rock am Ring feierte sein 40-jähriges Bestehen, Rock im Park das 30-jährige – und auch das Glastonbury Festival of Contemporary Performing Arts kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Mittlerweile eines der größten Open-Air-Festivals weltweit, feiert es 2025 sein 55-jähriges Jubiläum in Südengland.
Das sollte gebührend gefeiert werden. Und so bot man den Besucher:innen mit alten und neuen Musikgrößen wie The 1975, Charli XCX, Olivia Rodrigo und Rod Stewart ein vielversprechendes Programm. Ebenfalls Teil des Line-ups: Das aus Belfast stammende irische Rap-Trio Kneecap.
Skandaltrio Kneecap klar palästinasolidarisch
Berühmt geworden durch ihre auf irischer Sprache geschriebenen Texte über das raue, drogenreiche Leben in West-Belfast, polarisieren Kneecap seither und versorgen die Skandalpresse mit einem Artikel nach dem anderen. Bald fusselig schreibt man sich auf der anderen Seite des Ärmelkanals an diesen drei jungen, lockeren Typen. Stört man sich hier an der vulgären Sprache, fantasiert man sich dort einen Mordaufruf an Briten herbei und sieht die größte Gefahr sowieso in der bedingungslosen Unterstützung der irischen Künstler für den Befreiungskampf der Palästinenser:innen.
Endgültig zu weit ging dann wohl ihr Auftritt auf dem Coachella Festival im April 2025 in Kalifornien, USA. Während ihres Auftritts wurden die Botschaften „Israel begeht Völkermord am palästinensischen Volk“ und „Fuck Israel / Free Palestine“ auf einem Bildschirm gezeigt. Kurz darauf nahm die britische Terrorabwehr Ermittlungen gegen Mo Chara, einen der Rapper, auf, weil dieser bei einem Konzert im November 2024 „Up Hamas, up Hezbollah“ gerufen haben soll.

Eine Cancel-Welle war gewiss – und so entfernten kurz darauf die deutschen Schwester-Festivals Hurricane und Southside Kneecap aus ihren Line-ups. Warum? Das bleibt bis heute von den Verantwortlichen unbeantwortet. Die geplanten Konzerte der Gruppe in Berlin, Hamburg und Köln wurden ebenfalls von Veranstalterseite abgesagt – zum Unverständnis vieler Fans.
Ähnliches versuchte man auch in Großbritannien, wo sich selbst Premierminister Keir Starmer persönlich dafür einsetzte, dass Kneecap nicht beim Glastonbury Festival auftritt – ohne Erfolg. „Menschen, die die Politik der Veranstaltung nicht mögen, können woanders hingehen“, erklärte Mitgründer Michael Eavis daraufhin – und Kneecap blieb im Line-up.
Spätestens nun kannte man auch über die Rap-Welt hinaus die drei jungen Iren.
Zensur und Nicht-Zensur
Während man nun am Wochenende hierzulande auf dem Fusion Festival in Mecklenburg-Vorpommern feierte, startete in Glastonbury, Südengland also die 55. Auflage des Festivals. Die Übertragungsrechte für die Konzerte lagen beim britischen Staatssender BBC – und damit in den Händen jener Medien, die in den letzten Monaten, wie in Deutschland der öffentlich-rechtliche Rundfunk, nicht gerade zurückhaltend in ihrer tendenziösen Berichterstattung über den Genozid in Palästina waren.
Als die Künstler um 16 Uhr Ortszeit die Bühne betraten, stoppte man den Livestream und verwehrte den Zuschauer:innen vor den Bildschirmen den Mitschnitt des Konzerts. Diese Zensur war nötig, wurden doch auch hier wieder „antiisraelische“ Parolen gerufen. Die Musiker präsentierten erneut eine Palästina-Fahne auf der Bühne, mit dem Slogan „Free Palestine“ auf einem Bildschirm im Hintergrund – und ermutigten das Publikum zu „Fuck Keir Starmer“-Rufen.

War man bei der BBC nach dem Auftritt der drei wohl noch zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig für die konsequente Zensur auf die Schulter zu klopfen, bekam man gar nicht mit, was beim folgenden Auftritt des Punk-Duos Bob Vylan passierte. Denn während des nun wieder laufenden Livestreams stimmte Bobby Vylan „Free Palestine“-Rufe an, die vom Publikum – mit reichlich Palästina-Fahnen ausgestattet – begeistert aufgegriffen wurden.
Dem nicht genug, riefen Tausende Fans unter seiner Anleitung: „Tod, Tod der IDF“ (die israelische Armee). Gekrönt wurde der Auftritt mit der Parole: „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina muss und wird frei sein“ – eine in Deutschland mittlerweile kriminalisierte Parole, die ein von Apartheid und Kolonialismus, Entrechtung und Genozid befreites, säkulares Palästina fordert, in dem alle dort lebenden Menschen gleichberechtigt miteinander leben können.
(Peinliche) Entschuldigungen und Repression
Der Aufschrei der Politik war groß – und die Medienmaschinerie sprang an. Unmittelbar danach forderte die britische Kulturministerin von der BBC eine Stellungnahme. Außerdem sei, laut Medienberichten, die Polizei derweil mit der Auswertung der Videoaufnahmen und der Prüfung auf strafrechtlich relevante Aussagen beschäftigt. Der Mitschnitt wurde umgehend aus der Mediathek entfernt, und selbst das Glastonbury Festival sah sich zu einer (peinlichen) Entschuldigung gezwungen.
Der Musiker selbst bereut derweil nichts – und postete auf Instagram ein Bild mit der Unterschrift: „Während die Zionisten weinen, (…) hatte ich gerade (ein) Eis.“
Doch was bleibt, ist der bittere Beigeschmack zunehmender Zensur in Kunst und Kultur – vor allem dann, wenn es um Palästina geht. Während sich Festivals als Orte freier Meinungsäußerung inszenieren, zeigt der Umgang mit Künstler:innen wie Kneecap und Bob Vylan, wie schnell politische Aussagen aus dem Rahmen des Erlaubten fallen.
Die selektive Empörung, das Schweigen der Branche und die mediale Hetzjagd folgen einem bekannten Muster: Kritik an Israel und die Verurteilung des Genozids an den Palästinenser:innen wird als terroristische Gefahr gewertet, verboten und konsequent aus der Öffentlichkeit gedrängt. Die Bühne scheint unter staatlichem und medialem Druck kleiner zu werden. Das alles, während in Gaza weiter Menschen durch den israelischen Staat ermordet werden.