Revolutionäre Geschichte vor Gericht

Daniela Klette, gezeichnet

Vorgestern, am 25.03.25, hat der Gerichtsprozess gegen Daniela Klette begonnen. Die jahrzehntelang im Untergrund lebende Klette wurde im Oktober 2024 festgenommen, nach dem Journalisten der NGO Bellingcat sie mithilfe von KI-Gesichtserkennungssoftware auf Social-Media-Posts identifizieren konnten. Ihr wird von der Staatsanwaltschaft Verden angelastet, aus dem Untergrund dreizehn Raubüberfälle begangen zu haben. Nicht Teil des Prozesses ist ihre mutmaßliche RAF-Mitgliedschaft.

Die Trennung der Prozesse zur Mitgliedschaft in der RAF und der Raubüberfälle, durch die sie ihr Leben im Untergrund finanziert haben soll, versucht letztere zu entpolitisieren und die Wahrnehmung der dritten RAF Generation als eine Bande von gewöhnlichen Kriminellen zu verfestigen. Wie Burkhard Garweg es beschreibt: „Das Bild, das zu erzeugen versucht wird, beschreibt eine gewalttätig marodierende Räuberbande, die für die Allgemeinheit gefährlich und auch zum Töten bereit sei – und das nur für Geld.“

Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude

Zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Gerichtsgebäude hatten sich am 25.03. um 9 Uhr rund 50 Personen versammelt. Die Teilnehmerzahl erscheint im Kontrast zum öffentlichen Interesse klein ausgefallen. Das ist bezeichnend und Ausdruck der geringen Auseinandersetzung mit der RAF in gegenwärtigen politischen Organisationen. Dieser Mangel an Wissen lässt die konkrete Solidarität, wie beispielsweise in Form einer Kundgebung, als nicht wichtig erscheinen.

Dennoch war die Kundgebung ein starker Ausdruck der Solidarität. In den verschiedenen Redebeiträgen wurde der kontinuierliche Repressionswillen gegen RevolutionärInnen des deutschen Imperialismus, sowie des deutschen Staats aufgezeigt. Die gerufenen Parolen sind bis in den Gerichtssaal hörbar gewesen. Hörbare Beweise also, dass Solidarität alle Mauern überwinden kann.

Übertriebene Sicherheitsauflagen

Der Prozessauftakt fand unter übertrieben hohen Sicherheitsauflagen statt. Im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle, in einer Glaskabine abgeschirmt, saß Daniela Klette dem Gericht gegenüber. Die im Glaskasten angebrachten Mikrofone zur Tonübertragung in den restlichen Gerichtssaal haben vertrauliche Gespräche mit ihrer Anwältin verunmöglicht.

Der erste Prozesstermin fand zwar unter großer Aufmerksamkeit, auch internationaler Presse statt, doch wurde gleichzeitig fast jede sonstige Öffentlichkeit verhindert. Die Begrenzung der Sitzplätze für Zuschauer:innen ohne Presseausweis auf lediglich zehn Sitzplätze ist ein weiterer Versuch, Daniela Klette zu isolieren und den Prozess zu entpolitisieren. Strenge Einlasskontrollen haben ebenfalls dazu beigetragen.

Bessere Welt: Nicht nur notwendig, sondern auch möglich

Nach über 600 Seiten verlesener Anklageschrift, sowie Diskussionen über die Sicherheitsauflagen des Prozesses, erhielt Klette schließlich das Wort:

„Wir haben uns dem Zugriff des Staates jahrzehntelang erfolgreich entzogen, was mir leider nur bis zum 26. Februar 2024 geglückt ist. Eine sehr wertvolle Zeit. Mit vielen Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, und noch viel mehr positiven Erfahrungen. Diese haben mich in meiner Überzeugung gestärkt, dass eine bessere Welt, in der Menschen einander zugewandt leben, nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist.“

Sie geht in ihrer Erklärung auf den politischen Hintergrund der Repressionen gegen die RAF ein, sowie das ungeheurere Ausmaß welches die Ermittlungen angenommen haben. Des weiteren verdeutlicht sie, wie dieser Prozess zu verstehen ist:

„Schon dieser Prozess hier wird nicht gegen mich geführt, sondern es geht einmal mehr um die Aburteilung der RAF, die seit 27 Jahren Geschichte ist; es geht um die Abrechnung mit dieser Widerstandsgeschichte von fundamentaler Opposition.“

Auch die Entwicklungen des Imperialismus, Widerstand gegen diesen und vielfältige Formen des Versuches diesen zu zerschlagen findet Erwähnung: „Es werden massenhaft Verfahren gegen Menschen aus der Palästina-Solidarität geführt und es gibt wieder Berufsverbote gegen linke Aktivist:innen.“ Klette beschreibt das Verfahren im Kontext der globalen politischen Entwicklung, sodass sie den Schluss zieht: „Das Vorhaben, das hier als ganz normales Strafverfahren zu behandeln, war von Anfang an verloren.“

Warum sich mit der Vergangenheit beschäftigen?

Die Geschichte der RAF ist die Geschichte der heutigen revolutionären Bewegung in Deutschland. Eine Auseinandersetzung mit ihr bedeutet, sich der eigenen Geschichte bewusst zu werden, sie zu reflektieren und praktische Schlüsse zu ziehen.

Der Kampf der RAF, welcher dem deutschen Imperialismus, in Solidarität mit den internationalen Befreiungskämpfen, galt, ist im heutigen Kontext der zunehmenden imperialistischen Kriege eine historische Erfahrung, welche für unser Verständnis der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht auszusparen ist.

Unabhängig von der Bewertung konkreter Aktionen, sowie der strategischen Ausrichtung der RAF-Generationen, ist eine Auseinandersetzung unabdingbar, gar auch Voraussetzung für eine mögliche Kritik.

Die Inszenierung des Prozesses von Daniela Klette, sowie Diskussionen über mögliche Erweiterungen von Polizeibefugnissen zu Fahndung nach untergetauchten Personen, legt die repressive Natur des Staates offen. Jede Erweiterung der Möglichkeiten des Staates anhand von Daniela Klette, sind Befugnisse, welche ebenso gegen den Rest einer revolutionären Bewegung verwendet werden.

So hat beispielsweise bereits die Arbeitsgruppe “Innen, Recht, Migration und Integration” von CDU und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen Befugnisse zu erweiterter Vorratsdatenspeicherung und Strafverfolgung mit KI vorgesehen.

Wo weiter lesen?

Um sich mit der RAF aus kommunistischer Sicht auseinanderzusetzen, können folgende Bücher empfohlen werden:

Das Buch „Rote Armee Fraktion: Texte und Materialien zur Geschichte“ des ID-Verlages, welches eine Zusammenstellung entscheidender Texte, bspw. „Das Konzept Stadtguerilla“ oder Auszüge aus der „Erklärung der Sache“ enthält.

Das Buch „Die Stammheim-Protokolle: Der Prozess gegen die erste RAF-Generation“ von der bpb, in welchem zentrale Momente des Prozesses in Form von Protokollen abgedruckt und mit juristischen Erklärungen in den Anmerkungen ergänzt sind.

Außerdem sind die gesamten Stammheim-Protokolle auf folgender Website zugänglich: https://www.stammheim-prozess.de/

Auf der Website https://freiheit-fuer-daniela.de/ werden regelmäßig neue Information veröffentlicht.

Solidaritätsbriefe können per Post geschickt werden an:

 z.H. Daniela Klette, 
Justizvollzugsanstalt für Frauen Vechta,
An der Propstei 10,
49377 Vechta

Hinweise, wie ihr Briefe in den Knast schreiben könnt, findet ihr hier: https://rote-hilfe.de/aktiv-werden/gefangenen-schreiben

Danielas vollständige Erklärung zum Prozessauftakt findet ihr bei der jungen Welt: https://www.jungewelt.de/artikel/496858.daniela-klette-es-geht-um-die-abrechnung-mit-dieser-widerstandsgeschichte.html

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