AfD-Verbotsdebatte: „Antifaschismus“ der ganz braven Demokraten

Heureka, es ist vollbracht! Der sogenannte „Verfassungsschutz“ hat ein Machtwort gesprochen: Die Alternative für Deutschland (AfD) gilt seit dem 2. Mai 2025 als „gesichert rechtsextrem“. Diese Einstufung hat im linksliberalen bis christdemokratischen Milieu die Sektkorken knallen lassen.

„Unser Job ist der Schutz der Verfassung“, meldete sich der Grünen-Politiker Omid Nouripour mit Blick auf ein nun mögliches AfD-Verbotsverfahren zu Wort. Denn: „Eine wehrhafte Demokratie kann ihrer eigenen Zersetzung durch Antidemokraten nicht folgenlos zuschauen.“ Eine durchaus witzige Formulierung, weil sie von einem Mann kommt, der noch vor wenigen Jahren einen US-gesteuerten Militärputsch in Bolivien gegen den demokratisch gewählten und sozialistischen Präsidenten Evo Morales befürwortete. Ein Mann, dessen Partei stärker als jede andere bewaffnete ukrainische Neonazi-Formationen nicht nur verharmloste, sondern direkt unterstützte. Eben jene Grünen, die dem offen faschistischen Regierungsapparat Israels und dessen Genozid in Gaza politische Rückendeckung geben.

Sei’s drum! Wir sind ja hier nicht in irgendeinem lateinamerikanischen Hinterhof oder im Mittleren Osten sondern in Deutschland. Und in Deutschland muss man schließlich aus der Geschichte lernen! Also weiß der Grüne Nouripur: „Die deutsche Geschichte mahnt uns, alles Notwendige zu tun, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen jeden Angriff zu schützen.“

Endlich Erfolg haben

Politiker:innen von SPD, Grünen und CDU fordern nun also das Verbot der AfD. Liegt das daran, dass man in der SPD, deren Kanzler-Olaf sich noch vor Kurzem rühmte, so viel und so schnell abzuschieben wie noch nie, auf einmal die Liebe zum Asylrecht entdeckt hat? Oder hat Friedrich -„in der Ehe gibt es keine Vergewaltigung“ – Merz sich ein Herz für Frauen und Queers gefasst? Entdecken Annalena Baerbock und Robert Habeck die legitimen Sicherheitsinteressen jener Geflüchteten, deren Verwandte und Freunde mit von ihnen gelieferten Waffensystemen in Palästina oder Kurdistan zerfetzt wurden?

Worum es wirklich geht, formulierte der CDU-Politiker Marco Wanderwitz ohne die lächerliche moralische Schminke: „Solange die AfD so wirkmächtig ist, wie sie ist, täglich analog und digital, ihre Anhängerinnen und Anhänger mit Hass, Hetze und ihren extremistischen Positionen befüllt“, sei es „faktisch unmöglich“, „die übergroße Zahl der Wählerinnen und Wähler der AfD, auch diejenigen unter ihnen, die kein gesichert rechtsextremistisches Weltbild haben, wieder anzusprechen für demokratische Parteien“, sagte Wanderwitz. Deswegen müsse die AfD „sozusagen ausgeschaltet werden, wenn wir da Erfolg haben wollen“.

Es ist schon in den Debatten vor der letzten Bundestagswahl klar geworden: Die CDU möchte in Sachen „Remigration“ den geneigten Wähler:innen gerne genau das anbieten, was die AfD bereits anbietet. Aber solange das Original noch auf dem Wahlzettel steht, hat die billige Nachmache der anderen Parteien keine Chance. Der Dissens mit der AfD liegt nicht bei den „menschenrechtsrelevanten“ Themen. Er liegt bei Fragen der Positionierung zu Russland und der EU. Mehr abschieben und den Ausländer zum messerschwingenden Sündenbock deklarieren, das kann man auch christ- und sozialdemokratisch. Und Deutschland aus der Verantwortung für die eigene Geschichte entlassen, das geht ohnehin am besten grün (Shout out an Joschka Fischer).

Demokratische Mütter und Väter

In letzterem übt sich im ARD-Morgenmagazin auch die ehemalige Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Sie möchte gerne Gebrauch vom Verbotsverfahren machen, da „die Mütter und Väter des Grundgesetzes uns das Instrument des Parteienverbots mit auf den Weg gegeben haben, weil sie aus der deutschen Geschichte heraus wussten, dass es möglich ist, dass Parteien sich demokratischer Mittel bedienen, um an die Macht zu kommen, um dann, wenn sie diese Macht haben, die Demokratie Stück für Stück abzuschaffen.“

Sicherlich, man sollte nie zu genau auf die Wagschale legen, was Ricarda Lang eigentlich meint, wenn sie redet. Aber fragen wir einige „Väter des Grundgesetzes“ aus dem historischen Parlamentarischen Rat, was sie denn so “aus der deutschen Geschichte heraus wussten”. Theodor Heuss (FDP) hatte dem Ermächtigungsgesetz der Nazis zugestimmt und bemerkte anlässlich der Bücherverbrennung durch die Faschisten, dass da zum Glück auch Werke des „entwurzelten jüdischen Literatentums, gegen das ich durch all die Jahre gekämpft hatte“, dem Feuer übergeben wurden. Hans Troßmann (CSU) hatte in seiner Funktion als Reichskommissar für die Preisbildung mit der Verwaltung des Ghettos Litzmannstadt zu tun. Hermann Höpker-Aschoff (FDP) war in leitender Funktion in der Haupttreuhandstelle Ost und mit dem Raub an Juden in Polen befasst. Paul Binder (CDU) leitete als Stellvertretender Direktor der Dresdner Bank die „Zentralstelle für Arisierung“. Konrad Adenauer, Präsident der illustren Runde, machte später Hans Globke, einen Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze, zu seinem Staatssekretär und engsten Vertrauten.

Man kann die Liste lange, lange fortsetzen. Sie soll nur illustrieren: Wenn man nicht, wie Ricarda Lang, die eigene Propaganda so bedingungslos glaubt, dass man es für überflüssig hält, überhaupt noch zu denken, erweist sich die Trennlinie zwischen den sehr demokratischen Demokraten Deutschlands und dem “Rechtsextremismus” häufig als recht unscharf . Das bedeutendste Parteienverbot übrigens, das auf Grundlage der Vorgaben der „Väter und Mütter des Grundgesetzes“ durchgesetzt wurde, war 1957 das der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), also der Partei jener Menschen, die wirklich im Widerstand gegen den NS waren und nicht nur irgendwelche Märchen für ihr Entnazifizierungsverfahren erfanden. Das Verdikt besteht bis heute.

Wohin gehts, Antifaschismus?

Aus den bisherigen Zeilen sollte bereits klar geworden sein: Es ist keine besonders gute Idee, jetzt neben Grünen- und SPD-Fahnen auf die bereits angesetzten Demonstrationen für ein AfD-Verbot zu dackeln. Man erweist dem Antifaschismus damit nämlich einen Bärendienst: Unter maßgeblichem Einfluss des „demokratischen Parteienspektrums“ und deren nahestehenden, ordentlich durchfinanzierten Nichtregierungsorganisationen (NGO) wurde der Begriff „Antifaschismus“ und die mit ihm verbundene Praxis maximal ausgehöhlt. „Antifaschismus“ heißt hier oft nicht viel mehr als dafür zu demonstrieren, dass das tolle, weil demokratische Deutschland bleiben kann, wie es ist. In dieser entpolitisierten Gestalt ist der „Antifaschismus“ ein Werkzeug geworden, um für abgewirtschaftete bürgerliche Parteien noch irgendeine Art moralischer Bindekraft zu erzeugen. Wer aber dabei mitmacht, kann sich nicht wundern, am Ende als Fünfte Kolonne des Staats oder selbst als Teil des Establishments zu gelten.

Man verkennt zudem, dass es bei Verboten dieser Art immer um Interessen geht. Wenn der NSU-Förderverein Verfassungsschutz diese Einstufung trifft, hat das nichts mit „Menschenrechten“ zu tun. Es ist auch keineswegs auf „Rechtsextremisten“ beschränkt. Der Hauptgrund, warum es jetzt die Faschisten trifft und nicht Linke, liegt in der historischen Schwäche letzterer. Insofern hat Sahra Wagenknecht durchaus Recht, wenn sie die Debatte um das AfD-Verbot in den Kontext eines „autoritären Staatsumbaus“ setzt.

Wo sie allerdings als sozialdemokratische Standortnationalistin wie immer daneben liegt, sind ihre Schlussfolgerungen. Den Ampel-Parteien plus CDU ihren „Antifaschismus“ abzusprechen, kann ja nicht heißen, deshalb die Gefährlichkeit der AfD zu leugnen oder sich gar an sie anzubiedern. Im Gegenteil: Es muss bedeuten, Antifaschismus nicht als bloße Aufrechterhaltung des grausamen Normalzustandes der „deutschen Demokratie“ zu begreifen. Oder anders gesagt: make antifascism red again.

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