Am Donnerstag, den 19.06.2025, findet vor dem Berliner Arbeitsgericht ein Prozess statt, bei dem einmal mehr die Ausbeutung in der sogenannten Gig-Economy mittels Subunternehmen im Zentrum steht. Klägerin ist die indische Lieferfahrerin Frau S. (Name der Redaktion bekannt), beklagt ist die Botenvermittlung Wolt. In dem Verfahren geht es um drei nicht gezahlte Monatsgehälter. Die Gegenwind Reaktion hat sich mit der Fahrerin getroffen, die über die Arbeitsverhältnisse bei Wolt und die ausstehende Klage berichtet.
Frau S. kam im Frühjahr 2021 als Studentin nach Berlin und begann bei Wolt als Lieferfahrerin zu arbeiten. Zunächst war sie bei Wolt direkt angestellt. Die Arbeit war hart, aber es gab einen garantierten Mindestlohn und zusätzliche Prämien pro Lieferung. Anderthalb Jahre lang lief es ganz gut, dann blieben auf einmal die Aufträge aus.
Es lag nicht daran, dass es keine Bestellungen mehr gegeben hätte – über die Pandemie hatten sich ja alle in ihre Kämmerchen verschreckten Yuppies daran gewöhnt sich jeden Quatsch hinterhertragen zu lassen. Nein, Wolt wollte die lästige, direkt angestellte Belegschaft loswerden.
Dazu wurden den Fahrer:innen mit einem Wolt-Vertrag einfach kaum noch Aufträge mehr vermittelt oder nur solche, die lange Fahrten quer durch Berlin erfordern würden. Doch ohne kurze Strecken auf denen mehrere Lieferungen gleichzeitig mitgenommen werden konnten, lohnte sich der Job nicht.
In Gesprächen mit ihrem Vorgesetzten wurde Frau S. dazu gedrängt bei der „Wolt-Fleet“ anzuheuern. Mangels Alternativen und da sie an den Abholstellen der Restaurants ihre Kollegen mit Flottenverträgen die gewohnten Auftragsmengen entgegennehmen sah, heuerte Frau S. im Oktober 2022 bei der Wolt-Fleet an.
Derartige Flotten mit Leiharbeiter:innen sind in der Branche durchaus üblich. Uber beispielsweise umgeht auf die selbe Art und Weise die Einstufung als Taxizentrale.
Ihr Vorgesetzter war nun kein Wolt-Manager mehr, sondern ein Geschäftsmann aus Pakistan, der einen Handy-Laden in Neukölln betreibt. Sonst änderte sich an ihrem Arbeitsalltag jedoch wenig. Die App, die jetzt wieder Aufträge ausspuckte, blieb die gleiche. Einzig ihr Name verschwand aus ihrem Nutzeraccount und wurde durch eine anonyme Flottennummer ersetzt. Doch Sie hatte einen neuen Arbeitsvertrag, auf dem immer noch das Wolt-Logo prankte, bei Problemen mit der App oder Kund:innen kontaktierte sie das gleiche Team. Die Uniform und sonstige Ausrüstung waren die gleichen wie immer.
Nur der Lohn blieb aus.
Zunächst wurde sie vertröstet: Wolt-Fleet Gehälter würden am Monatsbeginn gezahlt, der Oktober würde mit dem November gemeinsam abgerechnet. Doch auch im November kam kein Geld. Als sie zum Jahresende immer noch kein Geld erhalten hatte, wechselte sie den Job.
Der Flotten-Manager setzte sich nach Pakistan ab und ist nicht dingfest zu machen. Deshalb klagt Frau S. nun gegen ihren alten Arbeitgeber, um ihre ausstehenden Gehälter zu bekommen. Zwei weitere von den rund hundert betroffenen Fahrer:innen haben Klagen eingereicht, mit einem weiteren einigte Wolt sich außergerichtlich. Ihre Chancen stehen auch gar nicht schlecht. Bei einer derart tiefen Einbindung der Flottenmitarbeiter:innen in Wolts Betriebsabläufe liegt ein klarer Fall von Arbeitnehmerüberlassung vor.
Doch Recht haben heißt bei weitem nicht, dass man es vor einem Gericht der BRD auch zugesprochen bekommt. Um die Fahrer:innen bei ihrem Verfahren zu unterstützen, ruft ein Bündnis um die Initiative Kämpfender Arbeiter:innen (IKA) dazu auf, am 19.06.2025 um 11 Uhr vor das Arbeitsgericht am Magdeburger Platz in Berlin-Mitte zu kommen.