Westfield Mall Hamburg: Errichtet auf dem Rücken der Arbeiter

Die Hamburger Westfield-Mall gilt als ein Prestigeprojekt der Hansestadt. Aber: Die Arbeitsbedingungen waren schlecht, auf Sicherheit wurde zu wenig geachtet. Unfälle waren an der Tagesordnung, mehrere Menschen verstarben während der Fertigstellung des Mega-Baus. Wir haben mit Paul von der Jungen IG Bau Hamburg über die Vorfälle gesprochen.

Ihr habt den Bau der vor einem Monat eröffneten „Westfield“ – Mall als Gewerkschaftsjugend kritisch begleitet. Könnt ihr unseren Leser:innen erklären, was da im Zuge des Bauvorhabens alles passiert ist? 

Bei dem Bauvorhaben der Westfield Mall, Europas größtem Einkaufszentrum, war das Ziel möglichst billig und schnell zu bauen. Es musste also mit günstigen Arbeitern gebaut werden, die kaum bis gar kein Deutsch verstanden und sprechen konnten. Da viele Bauarbeiter die Sicherheitsvorschriften nicht verstanden (aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse) und ständig unter Zeitdruck gearbeite haben, waren Arbeitsunfälle an der Tagesordnung. So explodierten im Sommer 2023 auf dem Dach Gasflaschen, 2022 starb ein Arbeiter, weil er zwischen einer Decke und einer Hebebühne eingequetscht wurde und Ende Oktober 2023 stürzte ein Gerüst mit 5 Arbeitern in ein Fahrstuhlschacht bei dem alle Arbeiter starben. Grund dafür war die Überlastung des Gerüstes. Dies sind allerdings nur ein paar Beispiele von Arbeitsunfällen auf dieser Baustelle.

Mehrere Tote auf einer Baustelle, offenkundig systematisch Arbeitsverhältnisse, die rechtswidrig sind – erwartet ihr, dass es jetzt auch von den Behörden eine Aufklärung geben wird? Oder sind da die Verflechtungen mit den Interessen der Bauwirtschaft zu stark?

Wir haben keine Hoffnung, dass die Behörden da noch eine vernünftige Aufklärung anstoßen. Bei diesem Bauvorhaben war so viel Geld im Spiel und die Stadt hat “selber profitiert”. Sie wird kein Interesse an einer Aufarbeitung der Vorfälle haben. Wir haben dennoch die Hoffnung, dass die Hinterbliebenen der verstorbenen Arbeiter eine anständige Entschädigungszahlung bekommen und aus diesen Unfällen gelernt wird. Deshalb fordert die IG BAU auch weiterhin von der Politik ein Gesetz, dass bei so großen Bauvorhaben auch Auftraggeber in die Haftung genommen werden können. 

Wie geht es nun nach Fertigstellung der Baustelle aus eurer Sicht weiter? Hat sich ein Teil der Arbeiter organisiert? 

Es wird höchstwahrscheinlich kein Thema mehr im Alltag sein, wenn man sich anguckt, wie viele Menschen täglich das Westfield besuchen. Es fängt schon bei dem respektlosen Verhalten von Westfield an: Bei der Eröffnung wäre weder der Stadt, noch von Westfield eine Reaktion gekommen, hätten wir nicht im vorhinein so viel medialen Druck aufbauen können. Der Stadt und Westfield fiel nicht mehr ein, als eine kleine “Gedenk-Plakette” an einer Bank anzubringen und einen Blumenkranz nieder zu legen.

Wenn man sich den Bau in Deutschland genauer ansieht, merkt man ja recht schnell, dass gerade im Hochbau das Ignorieren von Arbeitssicherheit, das Unterlaufen des Mindestlohns und ein oft bis in illegale, mafiöse Strukturen reichendes Subunternehmersystem eher die Regel als die Ausnahme sind. Welche Antworten hat die IG Bau auf diese Situation?

Eine konkrete Antwort haben wir noch nicht genau finden können, da wir als Gewerkschaft nur richtig aktiv werden können, wenn unsere Mitglieder oder tarifgebundene Betriebe dort arbeiten. Wir als IG BAU können so wie jede andere Person alle Verstöße nur bei der Berufsgenossenschaft oder bei der Bauaufsichtsbehörden melden. Ein Teil unserer Antworten sind auf jeden Fall unsere Forderungen an die Politik: Ein Tariftreuegesetz und die Auftraggeberhaftung sowie engmaschige Kontrollen von Großbaustellen, um Sicherheit für die Bauarbeiter zu gewährleisten.

Diejenigen, die in dem Ausbeutungssystem ganz unten sind, sind ja schwer für gewerkschaftliche Kämpfe zu gewinnen, weil ihre Situation so prekär ist. Da ist einmal die Sprachbarriere, dann der Umstand, dass viele nicht legal hier sind oder Repression vom Arbeitgeber fürchten. Wie reagiert man als Gewerkschaft auf diese Herausforderung?

Grade im Bereich der Sprachbarrieren haben wir unsere Info-Flyer für z.B. Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechte in die Sprachen der Arbeiter übersetzt. Und bei der illegalen Beschäftigung können wir auch wie jede andere Person nur die Bauaufsichtsbehörde informieren, die dann mit dem Zoll gegen die illegale Beschäftigung vorgehen kann. Wir als Gewerkschaft können leider nur als Unterstützung beim Informieren von Arbeitern helfen und beim Anzeigen von Verstößen gegen geltendes Recht unterstützen. 

#Interview: Andrej Vogelhut

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