Kaschmir-Konflikt eskaliert

Am 22. April kamen 26 Touristen bei einem Anschlag der Resistance Front im indisch kontrollierten Teil der Region Jammu und Kaschmir ums Leben. Die Resistance Front gilt als Frontorganisation der djihadisitischen Gruppe Lashkar-e-Taiba, die aus dem pakistanischen Teil Kaschmirs heraus operiert. Die indische Regierung macht Pakistan deshalb für den Anschlag mitverantwortlich und wirft ihr vor, islamistischen Terror für politische Zwecke zu dulden. Die pakistanische Regierung weist diese Vorwürfe zurück und fordert eine Beteiligung von russischen und chinesischen Ermittler:innen bei der Untersuchung des Vorfalls. Die indischen Behörden reagieren mit harter Repression auf den Terrorangriff und sprengten Wohnhäuser von Terrorverdächtigen.

In der Folge des Anschlags eskalieren die Spannungen zwischen Indien und Pakistan. Beide Seiten wiesen sämtliche Staatsbürger des jeweils anderen Landes aus und reduzierten ihr diplomatisches Personal. Die beiden Länder haben mit der Verlegung von Militär an die Grenze begonnen, was Sorgen vor einem verheerenden vierten indisch-pakistanischen Krieg zwischen den beiden Atommächten weckt. Indien hielt große Luftwaffen- und Marinemanöver ab. Täglich kommt es zu Schusswechseln an der Grenze, bislang jedoch ohne Verletzte.

Die bislang folgenreichste Maßnahme ist die einseitige Aussetzung des Induswasservertrages durch die indische Regierung. Der seit 1960 bestehende Vertrag regelte die Nutzung des Wassers des Indus und seiner Zuflüsse, aus denen Pakistan bis zu 80% seines Wasserbedarfs deckt. Am Wochenende zirkulierten Videos von Staudämmen im Kaschmirtal an denen der Durchfluss komplett gestoppt war – die pakistanische Regierung hatte davor gedroht, eine solche Maßnahme als kriegerischen Akt zu werten.

Indien hatte sich in den vergangenen Jahren bereits um eine Ausweitung seiner Nutzungsrechte bemüht, die unter dem Vertrag auf die nicht konsumptive Nutzungdes Wassers beschränkt sind. Damit ist die Nutzung des Wassers nur für lokale Landwirtschaft, sowie begrenzt für Wasserkraft erlaubt. Laut The Hindu behält Indien es sich vor, nun Maßnahmen zu ergreifen, „die nie zuvor in Erwägung gezogen wurden.“ Dazu könnte der Bau von größeren Staudämmen sowie Kanälen gehören, die Wasser nach Indien ableiten. Außerdem war unter dem Vertrag das „Drawdown Flushing verboten. Dieses Freispülen der Sedimente aus einem Staudamm wird als wohl aggressivste nicht-militärische Maßnahme gesehen, mit der die indische Regierung aktuell droht. Damit würde stromabwärts eine Flutwelle ausgelöst, die in Pakistan großen Schaden anrichten könnte. In der Folge wäre zudem die Reservoirkapazität erheblich erhöht, was es der indischen Seite erlauben könnte den Abfluss nach Pakistan zu drosseln.

Der Konflikt um die Region Jammu und Kaschmir spitzt sich in den letzten Jahren immer weiter zu. 2019 entzog die Regierung des faschistischen Präsidenten Modi dem indisch kontrollierten Teil seinen bis dahin in der Verfassung garantierten Sonderstatus als autonome Region. Die einzige mehrheitlich muslimische Region Indiens steht seitdem unter der Kontrolle der hindu-nationalistischen Zentralregierung. Mit der Aufhebung der Autonomierechte Jammu und Kaschmirs erlosch zudem das Verbot, Land in der Region an nicht-Kaschmiris zu verkaufen, was als wichtiges Hindernis gegen die von der indischen Regierung angestrebte Hinduisierung gesehen wird.

Auch der Grenzkonflikt zwischen Indien China eskalierte in den letzten Jahren. So kamen im Jahr 2020 bei Scharmützeln an der Grenze bis zu 50 Soldaten ums Leben. Die eskalierenden Konflikte werden erheblich durch den Klimawandel und die damit verbundene verschärfte Konkurrenz um Wasser geprägt. Mit dem sich beschleunigenden Abschmelzen der Gletscher in der Region, werden die aus ihnen gespeisten Flüsse unberechenbarer. In der Folge versuchen die beteiligten Staaten möglichst viel Wasser für die eigene Bevölkerung zu erschließen. Für die 240 Millionen Pakistaner:innen, die aus dem Indus-Becken mit Wasser versorgt werden, eine existentielle Bedrohung.

Es bleibt zu hoffen, dass der Konflikt zwischen den Atommächten sich nicht zu der sich abzeichnenden Katastrophe auswächst.

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