Freiheit für die Westsahara

Seit über 50 Jahren kämpft die Polisario-Front für die Befreiung der „letzten Kolonie Afrikas“. Ein Bericht des STK-Wedding.

2024 war in vielerlei Hinsicht ein Jahr der Kriege, die jedoch unterschiedlich viel Beachtung fanden. Ein Konflikt, über den hierzulande wenig berichtet wird, ist der Befreiungskampf der Sahrauis, der indigenen Bevölkerung der Westsahara. Die Westsahara wird bis heute von Marokko völkerrechtswidrig besetzt, was sie zur “letzten Kolonie Afrikas” macht.

Das Volk der Sahraui ist inzwischen eine Minderheit im eigenen Land. Denn Marokko ermutigt seit Jahrzehnten marokkanische Staatsbürger:innen durch Anreize wie Wohnraum und Arbeitsplätze, sich in der illegal besetzten Westsahara niederzulassen. Außerdem wurden viele Sahrauis durch die Besatzung vertrieben und leben inzwischen in Geflüchtetenlagern in Algerien und in der Diaspora in anderen Teilen der Welt, hauptsächlich in Europa.

1973 gründete sich aus der linken sahrauischen Befreiungsbewegung die Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Rio de Oro, kurz Polisario-Front. Die Polisario-Front leistet seit über 50 Jahren Widerstand gegen die illegale marokkanische Besatzung. Organisiert wird der Befreiungskampf vor allem aus großen Geflüchteten-Camps auf algerischen Seite der Grenze. Dort lebt ein Großteil der sahrauischen Bevölkerung seit der Vertreibung durch die marokkanische Armee in basisdemokratischen, selbstverwalteten Lagern.

Besatzung und Ausbeutung

Eine von Marokko erbaute 2700 Kilometer lange Mauer, durch das längste zusammenhängende Minenfeld der Welt und 200,000 marokkanischen Soldaten gesichert, hält die Polisario-Front von den ressourcenreichen Gebieten im Westen des Landes fern. So können die Rohstoffe des Landes ungestört ausgebeutet werden. Dazu gehören vor allem riesige Phosphatvorkommen und reichhaltige Fischbestände vor der Küste, aber auch Kupfer, Uranium, Gold und Erdöl.

Karte der Westsahara und der von Marokko errichteten Mauer, die das Land in zwei teilt

Auch die EU beteiligt sich rege an dieser Ausbeutung. Zwar wurden die 2019 zwischen EU und Marokko geschlossenen Handels- und Fischereiabkommen im Oktober 2024 vom Europäischen Gerichtshof wieder gekippt, da sie illegal annektierte Gebiete betrafen. Dennoch streichen sich deutsche Konzerne auf Kosten der Sahrauis Profite ein: Siemens Energy führt „grüne” Energieprojekte auf sahrauischem Land ohne deren Zustimmung durch. Die ausbeuterische Zementproduktion der Heidelberg Materials AG hält die Besatzungsinfrastruktur aufrecht. Deutsche Rüstungsunternehmen exportieren Waffen und Militärtechnologie an die marokkanische Armee.

Zudem hat Marokko als wichtiger Partner in der europäischen Abschottungspolitik ein Druckmittel in der Hand. Daher überrascht es kaum, dass die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock 2022 dem marokkanischen Autonomieplan deutsche Unterstützung zusicherte – obwohl er die anhaltende Unterdrückung der Sahrauis vorsieht. Damit beweist sich die „feministische Außenpolitik“ der Grünen einmal mehr als leere Worthülse.

Hinter der Besatzung der Westsahara stehen also nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Interessen. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung des US-amerikanischen Präsidenten Trumps, die Westsahara 2020 als marokkanisches Staatsgebiet anzuerkennen – als Gegenleistung für ein Abkommen, das die diplomatischen Beziehungen zwischen Marokko und Israel normalisiert.

Hier legitimiert die USA im Interesse der einen völkerrechtswidrigen Besatzung eine andere völkerrechtswidrige Besatzung. Über diesen Kuhhandel hinaus gibt es offensichtliche Parallelen zwischen der Westsahara und Palästina – und daher starke Bande der Solidarität zwischen den unterdrückten Völkern. Nicht umsonst ist die Flagge der Westsahara an die palästinensische angelehnt.

Solidarität in Berlin

Auch wir müssen uns mit dem Widerstand der Polisario-Front solidarisieren – ganz besonders im Hinblick auf die schändliche Rolle Deutschlands in der anhaltenden Unterdrückung und Ausbeutung der Westsahara. Dazu gehört, dass wir uns kennenlernen, vernetzen und den Kampf der Sahrauis auch in unseren Kiezen sichtbar machen. Wie zum Beispiel durch Aufklärungsarbeit von La Jaima de Tiris, die beim jährlichen Buttmannstraßenfest des Stadtteilkomitee Wedding mit einem Stand vertreten waren und uns letzten Februar im Stadtteilladen Rote Ella besuchten, um über die Westsahara zu sprechen. Oder wie unsere Genoss:innen vom Interbüro, die im Oktober im Kiezhaus Agnes Reinhold von ihrer Delegationsreise in die sahrauischen Geflüchteten-Camps berichteten.

Der Kampf für eine freie Westsahara wird weitergehen. Wir müssen uns weiter gegen Krieg und Ausbeutung stark machen – hier und weltweit!

Dieser Artikel erschien erstmals in der Weddinger Stadtteilzeitung „Plumpe“ (Ausgabe März 2025).

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