In München begann der Prozess gegen Hanna S. wegen angeblicher Übergriffe auf Neonazis in Budapest.
150 Personen versammelten sich gestern früh am 19. Februar vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim in München und zeigten ihre Solidarität mit der dort angeklagten Nürnberger Antifaschistin Hanna. Schon am Vorabend hatte eine Kundgebung vor der JVA stattgefunden. Die Insassen reagierten lautstark. „Hanna hat uns gehört, da sind wir uns sicher“, erzählten sich die Demonstrant:innen noch am nächsten Morgen vor dem Prozessbeginn. Bei minus 9 Grad gab es dort Kaffee und Soli-Shirts sowie Redebeiträge von den Soli-Kreisen Nürnberg, München und Berlin.
Eigentlich sollte die öffentliche Verhandlung Platz für 200 Personen bieten. Kurz vor Beginn konnten jedoch nur ca. 70 Zuschauer:innen bzw. Unterstützer:innen den Saal betreten. Auch der Andrang der bürgerlichen Presse war groß. Mit anderthalb Stunden Verspätung begann dann der erste Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht (OLG) München gegen Hanna. Vorgeworfen wird der Kunststudentin Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129a, gefährliche Körperverletzung sowie versuchter Mord – schon hieran ließ sich der absolute Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft ablesen.
Applaus für die Angeklagte
Als die Angeklagte in den Saal geführt wurde, standen die Zuschauer:innen klatschend auf und riefen „You are not alone“. Hanna blickte lächelnd auf ihre Genoss:innen, Freunde und Familie. Der Prozesstag begann mit dem Verlesen der Anklageschrift. Hanna soll zusammen mit anderen zwischen dem 9. und 11. Februar 2023 in Budapest Neonazis angegriffen und verletzt haben. Zum sog. „Tag der Ehre“ versammeln sich dort jedes Jahr tausende Faschisten aus ganz Europa und gedenken der Nationalisten, die versucht hatten im II. Weltkrieg aus dem Kessel der Roten Armee auszubrechen.
Zu den Teilnehmern zählen offen rechtsterroristische Organisationen wie „Blood & Honour“, „Combat 18“ oder auch die „Hammerskins“. Eben jene faschistischen Strukturen, aus denen sich unter anderem der NSU herausgebildet hat. In Deutschland sind die Gruppen verboten, in Ungarn werden sie jedoch unter dem rechts-autoritären Präsidenten Victor Orbán toleriert. Dieser betrachtet das Treiben mit Wohlwollen und lässt die Faschisten jährlich ihre menschenverachtende Propaganda und Vernetzung betreiben.

Hanna soll sich nun mit weiteren Angeklagten und derzeit untergetauchten Antifaschist:innen den Nazis in den Weg gestellt haben. Der deutsche Staat hält sie seit vergangenem Jahr in Untersuchungshaft. Nur anderthalb Stunden im Monat darf sie Besuch erhalten. Eine angemessene gesundheitliche Versorgung durch Fachärzt:innen bezüglich verschiedener Erkrankungen bleibt ihr oft verwehrt, trotz Einsprüchen ihrer Anwälte. Angeklagt wird sie nicht vor dem Landgericht, sondern vor dem Oberlandesgericht, dessen Staatsanwaltschaft unbedingt eine kriminelle Vereinigung konstruieren und an Hanna ein Exempel statuieren möchte.
Die Anwälte der Antifaschistin beklagen in einer Einlassung, dass das Verfahren am Rande von München in dem Keller der JVA Stadelheim stattfinde und somit zu einer „Dämonisierung und Vorverurteilung“ ihrer Mandantin in der Öffentlichkeit beitrage. Der Gerichtssaal ist eigentlich Schwerverbrecher:innen vorbehalten, von denen eine besondere Gefahr ausgeht. Umso absurder erschien daher auch die Eingangsrede des Richters, er sehe bei Hanna eigentlich „keine Gefahr für die Allgemeinheit“ und hoffe, dass sie „durch den Prozess-Ort nicht vorverurteilt oder stigmatisiert werde“.
Zugleich aber ersinnen die Repressionsorgane ständig neue Schikanen, um linke Aktivist:innen selbst in Haft noch zu erniedrigen. So ließen sie Hanna auch am Vortag ihrer Verhandlung in den stillgelegten Krankenhaustrakt der Männerabteilung überstellen. Hier musste sie eine Nacht in bitterer Kälte verbringen, da der Trakt nicht so schnell beheizt werden konnte. Im Frauentrakt durfte sie nicht bleiben, es gäbe keinen direkten Gang zum Verhandlungssaal und der Transport sei zu gefährlich.
Bei allen 32 angesetzten Verhandlungstagen soll Hanna nun diese Prozedur über sich ergehen lassen. Der Richter bekundete heute am Ende des ersten Verhandlungstages, er werde sich darum kümmern, dass sie die Nächte rund um die Verhandlungstage direkt vom Frauengefängnis in den Verhandlungssaal gebracht werde. Sie müsse dafür aber in Kauf nehmen, schon mitten in der Nacht geweckt zu werden.
Dünne Beweislage
Wie schon bei Verlesung der Anklage zu hören war, sind vor allem die Beweise für eine kriminelle Vereinigung und versuchten Mord recht dünn – offen blieb sogar, was das denn für eine Vereinigung sein soll. Antifa-Ost oder Budapest-Komplex oder beides? Sicher scheint sich die Staatsanwaltschaft selbst nicht zu sein. In U-Haft würde Hanna auch sitzen, weil die Gefahr der Flucht bestehe.
Vor dem Hintergrund des Antifa-Ost Verfahrens und des Umstandes, dass sich sieben Mitangeklagte von Hanna vor ein paar Wochen der Polizei stellten, ist es höchst fraglich, warum Hanna während ihres Prozesses in Haft bleiben muss. Die bis vor kurzem Untergetauchten hätten sich zudem auch früher gestellt, wenn die Staatsanwaltschaft versichert hätte, sie nicht an das Regime in Ungarn auszuliefern. Letztes Jahr wurde bereits die Mitangeklagte Maja in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von den deutschen Behörden dorthin verfrachtet – was selbst nach deutschem Recht illegal war, wie das Bundesverfassungsgericht erst vor Kurzem in einem Urteil feststellte.
Es wird deutlich, dass hier in erster Linie ein Exempel statuiert werden soll. Das vollkommen übertriebene Verfahren und Sicherheitsaufgebot der Behörden soll die Solidaritätsbewegung mit den angeklagten Antifaschist:innen spalten. Das Ziel ist, Antifaschismus besonders hart zu bestrafen und zu kriminalisieren. Hanna und allen weiteren Angeklagten drohen so viele Jahre in Gefangenschaft.
Doch zumindest, wenn man sich unter den zum Prozess angereisten Besucher:innen umhört, scheint die Rechnung nicht aufzugehen. „Gerade die Haltung der Genoss:innen, die vor Gericht stehen, gibt uns Hoffnung und Mut im Kampf gegen den Faschismus“, sagt eine Prozessbeobachterin. „Heute jährt sich zum fünften Mal der rassistische Anschlag in Hanau und ebenfalls heute sieht man den parlamentarischem Arm der Nazis im Bundestag sitzen. Antifaschismus ist heute wichtiger denn je – die Geschichte wird erneut zeigen, dass wir auf der richtigen Seite stehen!“
Der nächste Prozesstag von Hanna findet am 26.02. um 9:30Uhr statt – kommt vorbei und zeigt euch solidarisch!
Wer sich zu Hannas Prozess auf dem laufenden halten will, folgt dem Kanal: t.me/freehanna
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