„Neuköllner Fieber wenn in Gaza Bomben fallen. Neuköllner Fieber bis wir frei sind überall. Ob in Kongo, Sudan, Haiti, Kurdistan – Neuköllner Fieber Reunite und in Berlin brennt Asphalt!“ schallt es von der Bühne über den Blücherplatz am Halleschen Tor. Der Berliner Rapper Shadore beendet mit diesen Zeilen seinen Auftritt. Einige Hundert Menschen aus der Nachbarschaft und darüber hinaus sind am Wochenende zum Festival Gegen Rassismus zusammengekommen.
Umringt ist die Mitte des Blücherplatzes mit Ständen unterschiedlicher Initiativen und Gruppen. Mit dabei die Migrantifa Berlin und die Berliner Initiative „Nein zur Bezahlkarte“, die sich anlässlich des Beschlusses der Bundesregierung von April 2024, eine Bezahlkarte für geflüchtete Personen einzuführen, gründete. Diese Bezahlkarte soll Schecks, Bargeld oder direkte Überweisungen ersetzen. Gegen dieses rassistische System der Kontrolle und Überwachung organisiert die Initiative Tauschgeschäfte, damit sich Geflüchtete selbstbestimmt Bargeld beschaffen können. Auch viele türkisch-sozialistische Gruppen stellen ihre Arbeit vor: die Türkiye İşçi Partisi, bir gün 20 und die sol* parti. Daneben findet sich die Gruppe Theaterscoutings – ein Projekt, dass Angebote in der freien Tanz- und Theaterszene Berlins zusammenfasst und veröffentlicht.
Trotz Regen tanzen Menschen am Samstag zur Musikgruppe Ljuti Horan, die Lieder aus der Balkanregion spielt, oder am Sonntag zur kurdisch-akustischen Musik von Cengîz Yazgî. Beide Tage sind inhaltlich gefüllt: mit einem Forum zu institutionellem Rassismus am ersten Tag und einer Podiumsdiskussion zu migrantischem Widerstand am Sonntag.
„Solidarität ohne Grenzen – Rassismus bekämpfen“ steht auf einem Transparent, das gegenüber der Bühne hängt. Am Nachmittag diskutieren Simin von der Migrantifa Berlin und Bafta Sarbo über Rassismus als ökonomisches Verhältnis. Konkret wird das in der Auseinandersetzung mit aktuellen Grenzpolitiken: Ob durch das sogenannte Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder die radikalste Asylrechtsverschärfung seit 30 Jahren in der Reform des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS), welches die Tödlichkeit des europäischen Grenzregimes an die Spitze treibt. Auch diskutiert werden Sozialkürzungen und Aufrüstung als Teil des aktuell zu beobachtenden autoritären Umbaus. Hoffnungslos bleibt aber keine:r zurück. Zum Ende geht es auch darum, wie sowohl Sozialismus nicht ohne Anti-Rassismus, als auch Anti-Rassismus nicht ohne klassenkämpferische Positionen auskommt.
Auch die Partei die Linke hat einen kleinen Stand aufgebaut – auf den ersten Blick verwunderlich, aber Pascal Meiser hat das Festival mit einem Grußwort eröffnet und mit einer Spende des Fraktionsvereins unterstützt. Die Besucher:innen tümmeln sich eher vor der Bühne, beim Essen oder Kinderprogramm. Die Migrantifa Berlin verteilt Glückskekse gegen Spende – an Familienväter, Studierende und Nachbarinnen. Auf meinem steht ein Glück nicht, dass ich jeden Morgen mit einem Lächeln begrüßen muss, sondern: „Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr durchaus untergeordnetes Organ zu verwandeln – Karl Marx“.

Das Festival gegen Rassismus zeigt, wie politische Inhalte und Kulturprogramm aus einem Guss und mit Schlagkraft in der Nachbarschaft organisiert werden können. Bei Sonnenschein wäre es sicherlich noch voller geworden – trotz eher schlechtem Berliner Wetter sind aber viele Menschen zusammengekommen, um sich im gemeinsamen Kampf zu vernetzen und auszutauschen.
In aktuellen Zeiten, in denen sich die Verhältnisse eines explosiven Mixes aus Aufrüstung, Faschisierung und Sozialkahlschlag zuspitzen, sind es gerade auch Kulturveranstaltungen, die es braucht. Sie geben Raum für Austausch, Vernetzung und Organisierung – und vor allem auch zum Kraft und Hoffnung tanken.

