Inflation, Energieengpässe, Krieg – für die Mehrheit der Menschen bedeutet die multiple Krise des Kapitalismus Elend und Not. Aber eben nicht für alle. Wer sind die Profiteure dieser Krise?
Es ist das Stoßgebet der Ampelregierung, besonders beliebt in der offen betrübten Variation Robert Habecks: Ja, wir leben in harten Zeiten. Aber wenn wir alle verstehen, dass wir im „selben Boot“ sitzen und alle hart an uns arbeiten, werden wir Krieg, Teuerung und Pandemie überstehen.
Der wie in einer Sekte gebetsmühlenartig wiederholte Mythos einer Schicksalsgemeinschaft, die sich Hand in Hand, Schulter an Schulter durch den Winter hilft, ist vor allem eins: gelogen. Das allgemeine Gesetz des Kapitalismus, dass der Reichtum der Wenigen aus der Armut der Vielen entsteht, ist auch in Krisenzeiten nicht außer Kraft. Im Gegenteil. Krisenzeiten beleben das Geschäft. Und sie regen zur Expansion an. Beispiele gefällig?
Krieg bringt Geld
Recht offenkundig ist der Zusammenhang zwischen dem in der Ukraine geführten Krieg zwischen Russland und der NATO und einer Goldgräberstimmung in der Rüstungsindustrie. Westliche Milliardenkredite an Kiew, Ringtauschprogramme und das in der Geschichte einmalige 100-Milliarden-Rüstungspaket der Ampelregierung spülen Geld in die Kassen von Rheinmetall&Co.
Zum einen ist es dabei der direkte Bedarf für das Schlachtfeld in der Ukraine der die Kassen füllt, zum anderen hat der Ukraine-Krieg aber auch notorischen Bellizisten wie den Grünen die Möglichkeit eröffnet, auch an anderen Orten noch schamloser zu agieren als ohnehin gewohnt. Auch an die zuvor wegen seines Angriffs auf den Jemen (ca.300 000 Tote) und die Zerstückelung eines kritischen Journalisten in Verruf geratenen Golfdiktatur Saudi-Arabien, darf nun wieder exportiert werden. Von Krauss-Maffei-Wegmann bis Diehl Defence gilt: Je mehr Tote, desto bessere Zahlen. Und die Weltlage ist auf sehr viele Tote ausgelegt.
Wer essen will, muss zahlen
Neben den Rüstungsfirmen stehen die Discounter und einige große Lebensmittelmonopole ganz oben auf der Liste derer, die auch in der Inflationskrise Geld scheffeln. Wenig überraschend finden sich so auch einige der Herren über diese Imperien unter den zehn reichsten Deutschen: Nummer 1, Karl Albrecht Jr. und seine Schwester Beate Heister (Aldi Süd) mit geschätzten 34,2 Milliarden Euro Privatvermögen; Nummer 3, Dieter Schwarz (Lidl), 26,4 Milliarden Euro; Nummer 6, Theo Albrecht und Familie (Aldi Nord) mit 17,4 Milliarden Euro. Schon die Corona-Pandemie gab den Handelsimperien Auftrieb, man kann erwarten, dass sich ihr Marktanteil in einem ohnehin extrem monopolisierten Lebensmittelmarkt (die fünf größten Konzerne halten 80 Prozent des Marktes) aufgrund der Verarmung der Bevölkerung erneut vergrößern wird.
Aus der marktbeherrschenden Rolle dieser Mega-Konzerne ergibt sich eine Position der Macht gegenüber Konsumenten wie Produzenten/Zulieferern. Die Preise der Produzenten können so weit gedrückt werden, dass sie hierzulande nicht selten in den Ruin getrieben werden und anderswo in der Lieferkette absolute Niedriglöhne, Sklaverei, Kinderarbeit und Umweltzerstörung logische Folge sind. Umgekehrt können Preiserhöhungen an die Kunden weitergegeben werden.
Zugleich ist klar, dass die Inflationskrise auch genutzt wird, um Extraprofite zu generieren. So liegt die Teuerungsrate bei Lebensmitteln deutlich über der allgemeinen Inflationsrate. An einzelnen Lebensmitteln lässt sich zeigen, dass die realen Preiserhöhungen in den Supermärkten zeitweise extrem über denen am Weltmarkt lagen.
Die fossile Industrie dankt dem Herrn Habeck
Ein wahrer Segen war der Beginn des Ukraine-Krieges für die Öl- und Gasmonopole sowie die Energiekonzerne. Sie können Marktpreise abrufen von denen man zuvor kaum hätte träumen dürfen, zugleich kommen sie in den Genuss staatlich abgesicherter Absatzgarantien wie durch Tankrabatte und die sogenannte Gaspreisbremse. BP, Shell, Exxon, Total, Shevron – sie alle schrieben für das Geschäft Anfang 2022 Rekordergebnisse.
Hierein fällt auch die US-Frackin-gindustrie, die sich darüber freuen darf, den viel billigeren Konkurrenten Russland endgültig vom europäischen Markt verdrängt zu haben. LNG, also Flüssiggas, ist so begehrt wie nie zuvor. Im Juli 2022 konnten die USA verkünden, zum größten Flüssiggasexporteur der Welt aufgestiegen zu sein. Umgekehrt allerdings kann auch der russische Staatsmonopolist Gaz-Prom sich über die Verteuerung des Rohstoffs freuen. Auch dieser Konzern schrieb, trotz Sanktionsregime, Rekordergebnisse.
Entlastung für Reiche und Konzerne
Ganz generell kann man sagen, dass Reiche nicht nur vergleichsweise weniger von diversen Krisen getroffen werden, sondern dass sie zudem auch stärker vom Staat „entlastet“ werden als ärmere Haushalte. Für die Gaspreisbremse hat die Hans-Böckler-Stiftung durchgerechnet: Ein normaler Haushalt der unteren zehn Prozent würde mit 893 Euro im Jahr entlastet. Eine Villenbesitzerin mit Pool und 90000 Killowattstunden Jahresverbrauch würde mit 9648 Euro pro Jahr staatlich „entlastet“.
Insbesondere Konzernen greift man als „Stützen unserer Wirtschaft“ gerne unter die Arme – so etwa mit der sogenannten Gaspreisbremse, die Energiekosten von Konzernen mit Staatsgeld deckelt und zwar unabhängig davon, ob diese die Kosten selbst tragen könnten oder nicht. Ähnlich wie in der Corona-Pandemie führt das dazu, dass zugleich der Staat immense Summen an Konzerne zuschießt, um deren Profite stabil zu halten, während die Konzerne Dividenden und erhöhte Management-Boni ausschütten – wie etwa die DAX-Konzerne, die ihren mit Abermillionen entlohnten Spitzenmanagern im Jahr 2022 um 25 Prozent mehr Sold auszahlten.
Das hat Tradition: In der sogenannten Finanzkrise von 2009, in der Pandemie-Krise 2019 bis 2021, in der Inflationskrise heute ist es die Funktion dieses Staates seinen „Wirt schaftsstandort“ für privatkapitalistische Konzerne attraktiv zu halten und die Bedingung von Anhäufung von Kapital zu optimieren. Dafür können Milliarden um Milliarden mobilisiert werden. Und sie werden mobilisiert. Denn wir sitzen zwar „alle im selben Boot“, aber die einen fressen sich auf dem Luxusdeck voll, während die anderen Kohlen im Unterdeck schaufeln.